*Forschungsprojekt SEOS_2063*

Eine Fanstory von Matthias Scharf
(2006)
Die Macht der Kristalle
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Die Macht der Kristalle

Denver, Zentrum für Informations- und Datenverarbeitung, zwei Jahre zuvor

Es war zum Haare raufen. In einem Technikraum des „Zentrums für Informations- und Datenverarbeitung“ in Denver / Colorado fluchte zum wiederholten mal Funkspezialist John McWarren vor sich hin.
Der Raum erinnerte mehr an einen Elektronik-Recyclingplatz als an einen Arbeitsraum. Ein Dutzend Rechnerarbeitsplätze aus unterschiedlichen technischen Perioden waren wirr und provisorisch miteinander verkabelt. Dazwischen, wie vergessen, standen mehrere Großrechner in Einschubtechnik Blade-Tec aus dem letzten Jahrzehnt. TFT-Bildschirme wechselten mit Plasmabildschirmen und rahmten dann noch einen Flüssigkristallsichtschirm ein. Ein Elektronikschrottplatz musste dagegen so aufgeräumt wie ein Supermarkt wirken.

Gerade hatte sich ein vorsintflutlicher Plattenspeicher mit lautem Krächzen verabschiedet und dabei eine Wolke Verbrennungsabgase hinterlassen, die sich ihren Weg in den Raum suchten. Der veraltete Propellerlüfter tat sein Bestes, um die Dämpfe gleichmäßig im Raum zu verteilen. Es war einfach nur ärgerlich, dass bei jedem Abschied eines Speichers mehrere Terabyte Daten verloren gingen. Das war Johns größter Alptraum; ging doch die Arbeit von mindestens einer Woche mit der Platte dahin. Jetzt musste er einfach nur hinaus und einen Kaffee trinken. Ohne ein Wort verlies er den Raum und die vorsintflutliche Eingangstür fiel krachend in ihr Schloss.
Während er das heiße Getränk genüsslich trank, dachte er über seine Aufgabe nach.
Gemeinsam mit einer Gruppe weiterer Informatiker, Computertechniker und einfachen Studenten sollte er alle Informationen und Daten, die die Menschheit bis dato gesammelt hatten, zusammenstellen und zentral Speichern.
Hintergrund war die Zergliederung der Datenspeicher auf der Erde. Politisch und gesellschaftlich waren die Menschen der Erde vereinigt. Die Erde war je nach geografischen Gebieten in Leitungssektoren gegliedert. Interessengruppen und Parteien der Volksgruppen stellten gemeinsam das Groß-Parlament und die Regierung der Erde wurde von allen Menschen gewählt.

Nur auf dem Gebiet der Informatik wurden noch viele Süppchen gekocht. Regierungsstellen, Institutionen, Forschungsstellen, das Militär und, und, und,... sammelten ihre Daten und Informationen unabhängig voneinander. Deshalb gab es genauso viele verschiedene Datenspeicher, Speicherorte und Datenverarbeitungssysteme wie Anwender. Veränderungen in der Gesellschaft und bewaffnete Konflikte hatten in der Vergangenheit oft zu hohen Datenverlusten geführt. Deshalb war es jetzt ein weltumfassendes Anliegen das Wissen der Menschheit zu sichern und zu speichern, und unangreifbar zu hinterlegen.

Das war eine gigantische Aufgabe, seit der Einweisung im Forschungsministerium kannte er das wahre Ausmaß. Die Gesamtheit aller gedruckten Werke auf der Erde wurde nach der Jahrtausendwende auf 0,2 Exabyte (EB) geschätzt. Allein der Textumfang der Bestände der „Library of Congress“ mit seinen rund 20 Millionen Büchern musste zu dieser Zeit bei bis zu 80 Terabyte (TB), also 80000 Gigabyte (GB), liegen.
Wenn man bedenkt, dass die Speicherkapazitäten der weltweit größten Rechenzentren Ende 2002 zwischen 1 Petabyte (PB) und 10 PB lagen, was bis zu 10 Millionen Gigabyte entspricht, konnte man das Ausmaß der Aufgabe erkennen.

John schwindelte bei den Zahlen. Nach den Konflikten der letzten Jahre, den großen technologischen Erfolgen der eigenen Gesellschaft aber auch der Integration von extraterrestrischen Technologien musste es einen großen Datenschub gegeben haben. Die Gesamtheit des Menschlichen Wissens dürfte wohl derzeit mehrere Hundert Exabyte betragen. Der Speicherbedarf sollte vorausschauend auf etwa ein Zettabyte ausgebaut werden, was Daten in Höhe von 10^21 Byte entspricht. Dazu mussten aber auch noch neue Techniken der Datenkomprimierung entwickelt werden, um sie konzentriert speichern zu können. John fühlte sich ein wenig hilflos bei der Größe dieser Aufgabe, obwohl er sich doch der Bewahrung von Daten verschrieben hatte.

 

 

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