Seither hatte John seine gesamte Kraft und Zeit in das Projekt zum
Sammeln des Wissens gesteckt. Das war sein Lebenssinn. Selbst während
der Giant-Invasion soll er seine Aufgabe im Schloss fortgeführt
haben. Die vergangenen Jahre hatte er zusätzlich für ein Online-Studium
in Astrophysik genutzt und zu einem Abschluss gebracht.
Vor einiger Zeit nun hatte die Regierung den Nutzen dieses Schaffens
im Infopedia-Projekt erkannt und es in ein offizielles Forschungsprojekt
unter seiner persönlichen Leitung umgewandelt. John McWarren war
heute Ende Zwanzig und hatte jetzt endlich, zum ersten Mal im Leben,
mit seiner Vision ein eigenes Einkommen.
John hustete verhalten und begab sich wieder in den Technik-Raum. Die
Aufgabe musste fortgeführt werden. Er nahm sich jedoch vor, den
Forschungsminister noch einmal eindringlich an die Bereitstellung von
vernünftigen, langlebigen und belastbaren Speichermedien zu bitten.
Wie sollte er mit diesem Schrott sein Ziel erreichen. Die Regierung
musste endlich eine Möglichkeit schaffen, das Wissen unangreifbar
zu speichern.
Im Technikraum roch es weiterhin nach Elektroleiche, der Geruch kratzte
im Hals. Er lies sich schwer auf seinen Stuhl fallen und sah sich die
Daten des nächsten Komplexes zum Thema „Herstellung von neuartigen
elektro-optischen Bauelementen mit gezielt eingestellten Eigenschaften
- Molekularstrahl-Epitaxie“ an. Einige Konzerne der Erde forschten
auf diesem Gebiet, unzählige Institute hatten sich, in der Hoffnung
auf Sponsoren, auf diesem Gebiet betätigt. Deshalb waren viele
Informationen über Forschungsergebnisse zusammenzutragen. John
konnte sich nur schwer vorstellen, wofür eine „Molekularstrahl-Epitaxie“
von Nutzen war. Schade um die vorhin verloren gegangenen Dateien, aber
egal, neue Aufgabe – neues Ziel.
Die verlorenen Daten des Crashs würde ein Student als Hilfskraft
erneut bearbeiten müssen. Also weiter ......
*
... Electronion Forschungswerkstätten Havanna
/ Kuba - wenige Monate später...
Das Heulen der Sirene machte auch den letzten Mitarbeiter hier in den
Forschungswerkstätten darauf aufmerksam, dass irgendwo in den Labors
ein Versuch das falsche Ergebnis gebracht hatte.
Die meisten Mitarbeiter liefen schon zum Block B, von wo auch schon
Rauchschwaden zu sehen waren. Im Flur vor einem Labor stand eine Menschenmenge
und diskutierte heftig. Durch das Sicherheitsglas des Sichtfensters
konnte man in ein Werkstattlabor sehen, in dem es gebrannt hatte. Die
automatische Löschanlage hatte den Brand sehr schnell und sicher
gelöscht. Es war das Labor von Professor Reginald Schlomo Fitzpatrick,
der allgemein nur als der „verrückte Proff“ oder einfach
als „Schlomo“ bezeichnet wurde.
Inmitten der Menge fuchtelte ein Mann mit den Armen. Sein halbergrautes
Haar, wie immer ungekämmt, war wirr und stand nach allen Seiten
ab. Rauchfahnen kräuselten sich noch an einigen Haarspitzen, als
Beweis dafür, dass der Wissenschaftler nahe am Versuchsergebnis
daran gewesen war. Seine Lautäußerungen waren den Meisten
hier unverständlich.
„Ui, ui, ui, der Faden brennt, he, he, he!“ Dabei kicherte
er noch leise.
Proff Schlomo war ein untersetzter Mann, Ende Fünfzig. Außer
der markanten Haarpracht zierte eine altmodische Brille, mit kleinen
runden Gläsern in einem schwarzen Metallgestell, sein Gesicht.
Obwohl für die moderne Chirurgie Augenoperationen mit Laser nur
eine kleine Übung waren, bestand Schlomo auf seiner Brille. Diese
Brille assoziierte er mit einer Romanfigur der Vergangenheit –
mit Harry Potter so, als könnte er zaubern. Auch seine Bekleidung
war altmodisch, sie bestand aus Leinenhose, Baumwollhemd und Strickpullover,
an dessen Enden lose Fäden hingen. Professor Reginald Schlomo Fitzpatrick
war also ein sehr kauziger Typ, der oft unterschätzt wurde. Er
war überaus unbeliebt weil er ständig zu Alleingängen
und unkontrollierten Handlungen neigte. Viele sahen eine Gefahr in ihm,
dennoch konnten nur Wenige ihm mit ihrem Wissen das Wasser reichen.
So stand Professor Reginald Fitzpatrick für den absoluten Chaoten
und Proff Schlomo für den genialen Wissenschaftler.
Der Entwicklungsleiter der Electronion Gesellschaft bahnte sich einen
Weg durch die Menschen und stellte Proff Schlomo zur Rede: „Was
haben Sie getan? Sie zünden hier noch alles an?“ Dr. Rodrigo
Santiago war ziemlich ungehalten: „Sie kommen jetzt mit und erklären
der Leitung ihr Tun!“ Wenn ein Mann wie er von der Leitung sprach,
meinte er natürlich sich selbst. „Und Sie alle gehen jetzt
wieder an ihre Aufgaben, die Gefahr ist vorüber! Hurtig, Hurtig,
Hurtig!“ Aus dem Mund dieses Mannes klang das einfach nur albern,
aber die Menge löste sich auf.