*Forschungsprojekt SEOS_2063*

Eine Fanstory von Matthias Scharf
(2006)
Die Macht der Kristalle
Seite 8/9


 

Larissa Simonow, die von ihren Freunden meist Lara gerufen wurde, stützte sich mit beiden Händen auf ihrem Arbeitstisch ab. Sie war eine dralle Frau mit rosa Pausbacken. Ihre Erscheinung strahlte Kraft und Durchsetzungsvermögen aus. Auf einem Bildschirm, den sie aus der Arbeitsfläche aufgeklappt hatte, sah sie die Arbeiten im Zentrum der Ringstation.

Zwischen sechs halbrunden Stützen wurde eine Kugel aus CUT-5 zusammengesetzt. Dazu mussten die Kugelsegmente, ähnlich Apfelsinenschalenstreifen, von Montagerobotern in das Zentrum der Ringstation befördert werden. Sie wurden dort in einem speziellen Schweißverfahren miteinander optimal verbunden.
Der Weg in das Zentrum war einigermaßen verschlungen. Die Kugelsegmente wurden in der Nähe der Station, in einer Industrieanlage, die als fliegende Plattform auf einer weiten Umlaufbahn die Station umkreiste, angefertigt. Transportfähren schleppten die Segmente bis kurz vor die Ringstation und bremsten dann die Eigengeschwindigkeit der Segmente ab, hier übernahmen spezielle Roboter mit Steuerdüsenantrieb die Bauteile und jonglierten sie in langsamer „Fahrt“ zwischen den Stationsringen 1 und 2 hindurch, weiter durch die Speichen der Ringstation nach oben, und schließlich zwischen die Stützen in das Zentrum. Hier mussten die Segmente passgenau ausgerichtet werden, um zu einer Kugel zusammenwachsen zu können. Gerade eben wurde ein weiteres Segment ausgerichtet und die Montageroboter begannen ihr Werk. Nur noch wenige Segmente mussten eingesetzt werden, der Lückenschluss stand kurz bevor.

Das, was auf dem Bildschirm wie ein Tennisball wirkte, war in Wirklichkeit eine einhundert Meter durchmessende Kugel aus einem hochfesten CUT-5-Mantel, die von sechs gleichmäßig angeordneten halbrunden Stützen mittels Antigrav-polster in ihrer Position gehalten wurde.
Sie erinnerte sich, während sie die Bilder auf dem Monitor sah: Bei den Planungen zur Ringstation hatte sie eine zentral gelegene externe Speichereinheit verlangt. Die anwesenden Techniker hatten diese Speichereinheit in den zentralen Mittelpunkt der Stationsnabe eingeordnet. Aber schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass beim heutigen Stand der Technik der Speicherplatz nicht ausreichen würde, alle Daten zu erfassen.
Erst mit der Erfindung der Speicherkristalle durch Professor Fitzpatrick war dieses Problem gelöst worden.
Ein weiteres Problem war die Sicherheit der Daten. Allein die Lage im Mittelpunkt der Station würde nicht ausreichen, die Daten sicher aufzubewahren und zu schützen. Das Mitglied im Sonderkomitee für militärische Angelegenheiten, Starmajor Blücher, forderte deshalb immer wieder einen größeren Schutz der Daten. Hier hatte der Betonkopf mal wirklich recht, Lara musste ihm da zustimmen. Deshalb hatten die Konstrukteure der Ringstation die Bibliothek in einen CUT-5-Mantel verpackt und ihr eine Kugelform gegeben.
Alle Mitglieder des Sonderkomitees stimmten, fast wie ein Wunder, einstimmig dem Vorschlag zu. Die Kristallbibliothek sollte aber ein Geheimnis bleiben. Bisher kannten auch nur wenige eingeweihte Personen das Geheimnis der Kugel im Zentrum und das sollte so bleiben.

Ein weiteres Novum war der Aufbau der Wabenspeicher. Da die Kugel zum Schutz der Speicher vor unerlaubtem Zugriff nur mikroskopisch kleine Zugänge hatte, übernahmen Kleinstroboter den Transport der Speicherkristalle und die Aufbauarbeit.
Es war für Lara wie die Invasion der Nanobots. Sie bewegten sich schwebend durch die Transportröhren und hatten nur eine Aufgabe zu erfüllen. Kleinstroboter, im Nanotechnologie-Format, die die Aufgabe hatten, die Speicherkristalle durch die mikroskopisch kleinen Zugänge im Kugelraum zu bringen dort unter den bestimmten physikalischen Bedingungen, die nur der Proff Schlomo kannte, zu einem ganzen Wabenspeicher zusammenzusetzen. Das Prinzip erinnerte sie an einen Bienenstock. Das produzieren der Speicherkristalle, das Speichern von Daten aus dem Infopedia, der Transport durch die Transportröhren und der Aufbau der Wabenspeicher waren eine sehr komplexe Routinearbeit. Die Nanobots waren ständig in Bewegung, wie in einem Bienenstock eben. Nach und nach sollte so die größte Kristallbibliothek der Menschheit entstehen - Das gesamte Wissen der Menschheit geballt in einer Kugel.

Proff Schlomo – beim Gedanken an den genial-verrückten Professor musste sie tief durchatmen. Dieser Mensch war wirklich genial und leistungsfähig, aber als Mensch eine Zumutung. Niemand konnte mit ihm länger als eine kurze Zeit zusammenarbeiten. Nur der Schotte John McWarren ordnete alle Empfindungen seiner Aufgabe, dem Infopedia-Projekt, unter und ließ sich auch durch das Verhalten des Professors nicht ablenken.

 

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