Der blaue Planet der Florakszyi

Eine Fanstory von Matthias Scharf
(2005/2006)

Seite 15/21

 

Nach vielen Versuchen war der Kontakt doch noch zustande gekommen. Wie von Hexenhand waren die Störungen und Überlagerungen, die Frequenzen und das Singen der Blätter verschwunden. Nach dem ausgiebigen Bericht und der Aussprache mit dem Team im Scoutboot. War jetzt wieder alles klar.
„Hajo, UHG, Solveig hat ihr OK gegeben. Wir gehen weiter“ , gab Dave bekannt, obwohl die beiden Teamkollegen die Kommunikation mithören konnten. „UHG! Soll ich vorn gehen?“, fragte er knapp. „Nein. Ich mach das schon“, gab UHG ebenso knapp zurück.
Dave spürte jetzt wieder das heftige Verlangen, den Ortungspunkt der Energiequelle aufzusuchen und drängte nun zum Weitergehen. Der Weg führte weiter den Fluss entlang auf einen der Tafelberge zu, aus dem das fremde Signal kam. Es war jetzt nicht mehr weit, sie waren schon fast am Fuß des Berges angelangt.
Hohe, dichte Büsche mit feinen Verzweigungen, an denen kleine runde, rotbraune Blätter wuchsen, säumten den Uferrand voraus und ließen den Menschen nur einen schmalen Rand zum Gehen. Der Dschungel war weiter zurückgetreten. Die Büsche standen hier so dicht, dass man nicht durch sie hindurchsehen konnte. Entlang des Uferrandes von hier aus bis hin zu den Büschen wuchs ein pinkfarbenes Gras, dass die Höhe von Bambus erreichte. Ab und Zu schwappten die Wellen des fließenden Gewässers auf den Rand und zwangen die drei Forscher, die Beine zu heben und sich dicht an die Grasbüschel zu halten. Dabei mussten sie sich manchmal an den röhrenförmigen Grashalmen festhalten.
Knallende Geräusche ließ die Gruppe aufhorchen, Geräusche wie kleine Explosionen. Sie blieben stehen, als der Vordermann eine Hand zum Anhalten hob. Die drei Menschen beobachteten eine Szene wie in einem Krieg, die vor allem Hajo sehr interessierte.

Der deutsche Planethologe Hans-Joachim Braumeister, genannt Hajo, war auch Hobbybiologe und hatte schon oft sein Wissen bei dieser Expedition eingebracht.
Er näherte sich der Szenerie.
Die Büsche besaßen dichte Fruchtstände, die aus rotbraunen Kapseln bestanden, in denen weiße kugelförmige Früchte eingeschlossen waren. Ein Teil der Äste und Verzweigungen richteten sich nach hinten, plötzlich wurden die Kapseln geöffnet und die weißen Früchte schlagartig ausgestoßen. Dabei wurde ein Geräusch wie ein Knall erzeugt. Hajo ging langsam näher, sein Interesse war geweckt. Er wollte sehen, wohin die Früchte flogen. Plötzlich schoss eine Frucht nahe an seinem Ohr vorbei und fiel mit einem Platsch in den Fluss.

Hajo wich erschrocken zurück. Nach einer Schrecksekunde wollte er trotzdem wissen, warum die Pflanzen ihre Früchte verschossen. Er nahm allen Mut zusammen und näherte sich vorsichtig den Büschen, doch diesmal kam er bis zu den Pflanzen heran. Durch eine Lücke in den Ästen konnte er den Grund erkennen. Die Büsche bildeten einen runden geschlossenen Wall um einen flachen Krater, der etwa fünfzig Meter durchmaß. Dieser Krater war nicht bewachsen, er bestand aus Kies und Sand mit Einschlüssen von Erzen oder Mineralien, die glitzerten und funkelten. Am Kraterrand hatten sich Pflanzen angesiedelt, die lange schlanke Blätter, ähnlich dem Bogenhanf auf Terra, spiralförmig verdreht über zwei Meter in die Höhe reckten. Die braun-blauen fleischigen Blätter besaßen viele Stacheln am Blattrand entlang, so wie bei den Agaven und faszinierten durch herabhängende purpurne Glockenblüten. Hanf-Agaven, dachte Hajo.

Diese Agavenpflanzen wuchsen vom Krater weg und wenige Meter in die Höhe. Sie pflanzten sich fort, in dem die Blattauswüchse nach Außen kippten. Sie fielen dabei auf die anderen Pflanzen und erstickten diese regelrecht. Hajo konnte erkennen, dass sich unter den Hanfblättern abgestorbene Reste der Büsche befanden. Die Büsche reagierten auf diese Expansion mit eigenen Mitteln. Fast gleichzeitig bewarfen die Büsche im gesamten Kreis die Hanfblätter mit ihren weißen Früchten, die zerplatzten, wo sie auftrafen. Eine milchige Flüssigkeit rann über die Agavenpflanzen und zerfraß diese regelrecht, so dass sie abstarben. Die Expansion war damit gestoppt.
Es war ein ständiger Kampf. Dieser Kampf der Pflanzenarten musste schon sehr lange geführt werden, denn vor den Büschen hatte sich schon ein hoher Wall aus verrotteten Pflanzenresten gebildet und Verwesungsgeruch zog hervor.

Hajo war sich sicher, dass die Hanf-Agaven nur hier am Kraterrand zu finden waren. Er hatte eine solche Pflanzengattung auf seiner Tour noch nicht gesehen. Um das zu beweisen, musste er jedoch Zellmaterial beschaffen und analysieren. Nur wie dahin gelangen? Warum war der Krater, der wie ein Geschwür in der Flora des Planeten war, nicht bepflanzt, wo doch der gesamte Planet dicht bewachsen war? Konnte es sich bei den Hanf-Agaven um Mutationen handeln, die nicht erwünscht waren, und was war der Grund für eine solche Mutation? Sind die früchtewerfenden Büsche nur zur Verteidigung gegen die Agavenmutanten geschaffen worden?

Hajo wand sich in seiner knappen und korrekten Art an UHG: „ Geben Sie mir das Multifunktionsgerät, bitte!“ Ohne weitere Erläuterung übernahm er das Gerät und begab sich wieder zu den Büschen. In Hajo hatte sich der Ehrgeiz breit gemacht, er wollte einige Fragen beantworten, soviel Zeit würde schon sein. Als Ihm UHG folgen wollte, flogen ihm die weißen Früchte um die Ohren, bis er seinen Sicherheitsabstand wieder hergestellt hatte. Die Büsche suchten sich ihre Freunde aus.

 

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