Nach vielen Versuchen war der Kontakt doch noch zustande
gekommen. Wie von Hexenhand waren die Störungen und Überlagerungen,
die Frequenzen und das Singen der Blätter verschwunden. Nach dem
ausgiebigen Bericht und der Aussprache mit dem Team im Scoutboot. War
jetzt wieder alles klar.
„Hajo, UHG, Solveig hat ihr OK gegeben. Wir gehen weiter“
, gab Dave bekannt, obwohl die beiden Teamkollegen die Kommunikation
mithören konnten. „UHG! Soll ich vorn gehen?“, fragte
er knapp. „Nein. Ich mach das schon“, gab UHG ebenso knapp
zurück.
Dave spürte jetzt wieder das heftige Verlangen, den Ortungspunkt
der Energiequelle aufzusuchen und drängte nun zum Weitergehen.
Der Weg führte weiter den Fluss entlang auf einen der Tafelberge
zu, aus dem das fremde Signal kam. Es war jetzt nicht mehr weit, sie
waren schon fast am Fuß des Berges angelangt.
Hohe, dichte Büsche mit feinen Verzweigungen, an denen kleine runde,
rotbraune Blätter wuchsen, säumten den Uferrand voraus und
ließen den Menschen nur einen schmalen Rand zum Gehen. Der Dschungel
war weiter zurückgetreten. Die Büsche standen hier so dicht,
dass man nicht durch sie hindurchsehen konnte. Entlang des Uferrandes
von hier aus bis hin zu den Büschen wuchs ein pinkfarbenes Gras,
dass die Höhe von Bambus erreichte. Ab und Zu schwappten die Wellen
des fließenden Gewässers auf den Rand und zwangen die drei
Forscher, die Beine zu heben und sich dicht an die Grasbüschel
zu halten. Dabei mussten sie sich manchmal an den röhrenförmigen
Grashalmen festhalten.
Knallende Geräusche ließ die Gruppe aufhorchen, Geräusche
wie kleine Explosionen. Sie blieben stehen, als der Vordermann eine
Hand zum Anhalten hob. Die drei Menschen beobachteten eine Szene wie
in einem Krieg, die vor allem Hajo sehr interessierte.
Der deutsche Planethologe Hans-Joachim Braumeister, genannt Hajo, war
auch Hobbybiologe und hatte schon oft sein Wissen bei dieser Expedition
eingebracht.
Er näherte sich der Szenerie.
Die Büsche besaßen dichte Fruchtstände, die aus rotbraunen
Kapseln bestanden, in denen weiße kugelförmige Früchte
eingeschlossen waren. Ein Teil der Äste und Verzweigungen richteten
sich nach hinten, plötzlich wurden die Kapseln geöffnet und
die weißen Früchte schlagartig ausgestoßen. Dabei wurde
ein Geräusch wie ein Knall erzeugt. Hajo ging langsam näher,
sein Interesse war geweckt. Er wollte sehen, wohin die Früchte
flogen. Plötzlich schoss eine Frucht nahe an seinem Ohr vorbei
und fiel mit einem Platsch in den Fluss.
Hajo wich erschrocken zurück. Nach einer Schrecksekunde wollte
er trotzdem wissen, warum die Pflanzen ihre Früchte verschossen.
Er nahm allen Mut zusammen und näherte sich vorsichtig den Büschen,
doch diesmal kam er bis zu den Pflanzen heran. Durch eine Lücke
in den Ästen konnte er den Grund erkennen. Die Büsche bildeten
einen runden geschlossenen Wall um einen flachen Krater, der etwa fünfzig
Meter durchmaß. Dieser Krater war nicht bewachsen, er bestand
aus Kies und Sand mit Einschlüssen von Erzen oder Mineralien, die
glitzerten und funkelten. Am Kraterrand hatten sich Pflanzen angesiedelt,
die lange schlanke Blätter, ähnlich dem Bogenhanf auf Terra,
spiralförmig verdreht über zwei Meter in die Höhe reckten.
Die braun-blauen fleischigen Blätter besaßen viele Stacheln
am Blattrand entlang, so wie bei den Agaven und faszinierten durch herabhängende
purpurne Glockenblüten. Hanf-Agaven, dachte Hajo.
Diese Agavenpflanzen wuchsen vom Krater weg und wenige Meter in die
Höhe. Sie pflanzten sich fort, in dem die Blattauswüchse nach
Außen kippten. Sie fielen dabei auf die anderen Pflanzen und erstickten
diese regelrecht. Hajo konnte erkennen, dass sich unter den Hanfblättern
abgestorbene Reste der Büsche befanden. Die Büsche reagierten
auf diese Expansion mit eigenen Mitteln. Fast gleichzeitig bewarfen
die Büsche im gesamten Kreis die Hanfblätter mit ihren weißen
Früchten, die zerplatzten, wo sie auftrafen. Eine milchige Flüssigkeit
rann über die Agavenpflanzen und zerfraß diese regelrecht,
so dass sie abstarben. Die Expansion war damit gestoppt.
Es war ein ständiger Kampf. Dieser Kampf der Pflanzenarten musste
schon sehr lange geführt werden, denn vor den Büschen hatte
sich schon ein hoher Wall aus verrotteten Pflanzenresten gebildet und
Verwesungsgeruch zog hervor.
Hajo war sich sicher, dass die Hanf-Agaven nur hier am Kraterrand zu
finden waren. Er hatte eine solche Pflanzengattung auf seiner Tour noch
nicht gesehen. Um das zu beweisen, musste er jedoch Zellmaterial beschaffen
und analysieren. Nur wie dahin gelangen? Warum war der Krater, der wie
ein Geschwür in der Flora des Planeten war, nicht bepflanzt, wo
doch der gesamte Planet dicht bewachsen war? Konnte es sich bei den
Hanf-Agaven um Mutationen handeln, die nicht erwünscht waren, und
was war der Grund für eine solche Mutation? Sind die früchtewerfenden
Büsche nur zur Verteidigung gegen die Agavenmutanten geschaffen
worden?
Hajo wand sich in seiner knappen und korrekten Art an UHG: „ Geben
Sie mir das Multifunktionsgerät, bitte!“ Ohne weitere Erläuterung
übernahm er das Gerät und begab sich wieder zu den Büschen.
In Hajo hatte sich der Ehrgeiz breit gemacht, er wollte einige Fragen
beantworten, soviel Zeit würde schon sein. Als Ihm UHG folgen wollte,
flogen ihm die weißen Früchte um die Ohren, bis er seinen
Sicherheitsabstand wieder hergestellt hatte. Die Büsche suchten
sich ihre Freunde aus.