Eine Luke öffnete sich auf der Seite des Raumbootes, die eine
Hälfte sank langsam nach unten um eine Rampe zu bilden, die andere
bewegte sich nach oben. In der Öffnung erschienen drei Menschen
in den Kombis der terranischen Raumfahrer. Sie verließen das Beiboot
hintereinander und sahen sich die Gegend genau an.
Der Landeplatz war eine große Lichtung inmitten des dichten Dschungels,
zwischen den hohen Bäumen und gesäumt von hohen Farnen. Die
Lichtung durchmaß etwa 300 Meter von einem Ende zum anderen. Auf
der rechten Seite lichtete sich das Unterholz und die Gruppe wußte,
dass sich dahinter die Uferzone eines Sees ausdehnte. Hier herrschte
ein Dämmerlicht im blauen Spektrum. Die Gruppe hatte vor, den Planeten
vor Ort zu erforschen und die Lagerstätten von Regravidum zu sichern.
Dazu sollte das Vorauskommando eine Basisstation schaffen.
*
Ein Gerät und die Faszination des Vorganges
Zwei kuppelförmige Gebäude sollten der Mannschaft Unterkunft
bieten und als Lager für die umfangreiche Ausrüstung und Funde
dienen.
Der Aufbau begann.
Der Prozeß des Aufbaus war faszinierend und immer ein Erlebnis...
Mittelpunkt war ein unscheinbares Gerät, groß wie ein Schuhkarton;
vollgepackt mit modernster Nanotechnologie. Diese Technologie war das
Programm und ausführendes Organ in einem. Energie plus Materie
plus Programm. Und was der Mensch dazutat, war Formgefühl, ästhetische
Korrektur. Der Prozess nahm diese Korrekturen als übergeordnete
Weisungen an.
Dave Koso, bei dieser Mission mit dem Aufbau der Basis betraut, stellte
das Gerät in den Mittelpunkt eines der zukünftigen Gebäude.
Größe und Form des Gebäudes wurden programmiert, leichte
Korrekturen vorgenommen und damit das Gebäude an das Gelände
angepaßt. Ein Display zeigte eine 3D-Darstellung; auf dem Touchscreen
konnte das Aussehen direkt korrigiert werden. Schön, dass diesmal
kein Raumanzug getragen werden mußte. Die Eingaben gingen ihm
leicht von der Hand, und er konnte die Energie des Gerätes als
leichtes Kribbeln in den Fingern spüren.
Und dann Start – mit dem Druck auf ein kleines Feld begann der
Prozeß.
Aus dem Gerät fuhr ein Teleskop-Ausleger aus, an dessen Ende sich
eine winzige Düse befand. 25 Meter lang und trotzdem stabil, weil
sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Gegengewicht ausgebildet
hatte. Nach dem er vollständig ausgefahren war, wurde ein blauer
Strahl sichtbar, der nach unten gerichtet war. Gleichzeitig begann sich
der Ausleger zu drehen. Der blaue Strahl vernichtete Bakterien und Unreinheiten
des Bodens, so dass dieser „rein“ war. Am Ende der Umkreisung
wechselte der Strahl die Farbe von blau zu violett-rosa und eine neue
Umkreisung begann. Dieser heiße Strahl verwandelte die Materie
– den Boden – in einen festen Werkstoff mit hoher Leitfähigkeit.
Gleichzeitig wurden die Nährstoffe des Bodens angereichert und
eingeschlossen. Nachdem so ein Leitkreis entstanden war, stoppte das
Gerät. Die Strahldüse wurde eingefahren.
Eine Keimpatrone erschien, als eine neue Umkreisung begann.
Es legte die etwa staubkorngroßen Keime aus der Keimpatrone im
Kreis aus, Fünfzig Meter im Durchmesser, alle Fünfzehn Zentimeter
einen. 1047 Keime insgesamt mußten ausgelegt werden. Sie fielen
auf den Leitkreis.
Dann stoppte das Gerät erneut. Die Keimpatrone wechselte zu einer
weiteren Patrone. In wenigen Sekundenbruchteilen brachte der Ausleger
am Kreisanfang und in der Hälfte des Umfanges je einen kleinen
Nano-Energiegeber aus. Das ging so schnell, dass es kaum zu erfassen
war.
Dave Koso wußte nicht genau wie sie funktionierten, aber er wußte,
daß diese Energiegeber ein gerichtetes Spannungsfeld erzeugten,
das in den Keimen einen atomar-molekularen Prozeß auslöste.
Die Bioströme trieben das Wachstum an. Diese Technologie stammte
vom Volk der Gorm des Planeten Küla´, die eine Biotechnolgie
beherrschten, die den Menschen bislang unbekannt war, gepaart mit Nanotechnik
der Nogk.
Seit die Mannschaft von Colonel Huxley auf der Charr zusammen mit den
Nogk - Hybridwesen, die zu Freunden der Menschen geworden waren –
gorm´sche Biotechnologie mit Nanotechnik kombinierten, waren Produkte
von Küla´ein wichtiges Handelsgut geworden.
Doch während die Gorm biologische Produkte auf natürlichem
Weg bearbeiteten z. B. durch Besprechen zum Wachstum anzuregen und eine
Form zu erzeugen, nutzten die Nogk technische Einrichtungen um diese
natürlichen Produkte und Wachstumsprozeße zu beeinflussen.
Auf Gorm waren alle Einrichtungen ja sogar Fluggeräte aus natürlichen
Biomaterialien hergestellt.
Bisher waren nur etwa zehn Minuten vergangen. Das Gerät hatte den
Ausleger eingefahren.
Es baute ein stabiles Energiefeld in der Form des zukünftigen Gebäudes
auf. Dave konnte ein leichtes Flimmern der Luft erkennen. Sah man genau
hin, konnte man die Form, die das Gebäude annehmen sollte, erahnen.
Das Gerät erzeugte die Initialspannung über die Energiegeber
und gab damit den Impuls an die Keime, mit dem Wachstum zu beginnen.
Rings um jede der Eintausendsiebenundvierzig Keime begann die Stelle
des Leitkreises, auf der ein Keim lag, sich zu verfärben, und dann
wuchsen aus den glühenden Flecken dünne grün-braune Halme
auf, mit hellen Spitzen, die an Ähren erinnerten.
Es wirkte wie eine Zeitrafferaufnahme vom Wachstum eines Grases. Eben
das war es, was ihn immer wieder zur Bewunderung hinriss, der Prozeß
des gesteuerten Wachstums schien ihm mehr über sein Zeitalter auszusagen
als das modernste Raumschiff, das Terra besitzt.